Konsum und Neid


Die schwedische Konsumgesellschaft und ihr Neid

Ein Einblick in die schwedische Gesellschaft und deren Mentalität.

Der Neid wird in Schweden unter der Bezeichnung “
Svenska Avundsjukan” geführt.

Das Wort “
Avundsjukan” bedeutet “Neidkrankheit” und eine schwedische Volksweisheit besagt, dass die Schweden ein Patent auf diese Neidkrankheit haben.

Einige Jahre war ich als Unternehmensberater für Existenzgründer bei einer Tochtergesellschaft der Regierung tätig.

Noch heute erinnere ich mich noch gut an eine Beratung, in der es um eine Unternehmensübergabe ging.

Ein Autowerkstatt in einer kleinen Stadt sollte verkauft werden.

Die betriebswirtschaftlichen Auswertungen lagen auf dem Tisch und der Verkäufer sagte einige schwerwiegende Sätze zum potentiellen Käufer:

“Mit dieser Werkstatt wirst Du soviel verdienen können, dass Du Dir jedes Jahr einen neuen Mercedes kaufen kannst.
Aber mach das bloss nicht.”

Was wollte der Verkäufer damit zum Ausdruck bringen?
Zweierlei.


Zum einen ging es dem Verkäufer darum zum Ausdruck zu bringen, wie wirtschaftlich erfolgreich das Unternehmen war und sein Nachsatz gewährte einen tiefen Einblick in die schwedische Mentalität.

Wir erinnern uns an das erste Gebot aus dem hier schon im Blog erwähnten ∞
Jantelagen:

“Du sollst nicht glauben, dass du etwas Besonderes bist.”

Wer einen - neuen oder zumindest ein neueres Modell - Mercedes fährt, bringt damit zum Ausdruck, dass er etwas Besonderes ist.

In der Praxis ist es mit diesem wie mit den Champignons, die in einer Kiste wachsen. Der Champignon, der zu schnell nach oben wächst und sich dadurch aus der Masse hervorhebt, wird einfach abgeschnitten und die gesellschaftliche Ordnung ist wieder hergestellt.

Im realen schwedischen Leben geht man nun nicht soweit, gleich einen Menschen”abzuschneiden”, aber eben ihn als Peron im Alltag zu “beschneiden”.

Diese Beschneidung durch die Gesellschaft bedeutet für einen sich Hervortuenden dass er vom sozialen Umfeld gemieden wird, hinter seinem Rücken schlecht gesprochen wird, bis hin, dass der Betroffene kaum Aussichten auf einen neuen Arbeitsplatz hat.

Denn Schweden ist klein und der gesellschaftliche Verstoss geht schnell herum.

Zurück zu unserem Beispiel vom Auto und anderen Statussymbolen.

Der Schwede strebt unbewusst nach dem, was im Schwedischen als “l
agom” bezeichnet wird.

"Lagom" lässt sich nicht direkt übersetzen, denn das Wort hat keine deutsche Entsprechung.

Am Treffendsten ist die Übersetzung “gesundes Mittelmass”.

Wenn eine Sache lagom ist, dann liegt sie in der Norm, die das Jantelagen vorgibt. Der Volvo oder Passat vor der Haustür sind lagom, ein Mercedes Benz ist es nicht.

Das macht das Leben unglaublich schwer für alle, die grossen unternehmerischen oder wirtschaftlichen Erfolg haben. Erfolgreiche Unternehmer und Multimillionäre stellen ihren Wohlstand in aller Regel nur sehr massvoll zur Schau (oder sie sind völlig unsichtbar in der Öffentlichkeit).

Wenn schwedische
besser Betuchte mit dem ältesten Volvo im Umkreis zum Einkauf unterwegs sind, sind sie fleissig und beinahe verkrampft darauf bedacht, alle Menschen, denen sie auf der Strasse begegnen, freundlich zu grüssen.

Echte schwedische Idole und Stars nehmen wie der sprichwörtliche Traktor-Pelle von nebenan am gewöhnlichen öffentlichen Leben teil, um nur nicht aus dem Rahmen des vermeintlich Normalen zu fallen.

In Stockholm Minister ohne Bodyguards beim Lunch in einem Café oder Restaurant zu sehen ist nichts Ungewöhnliches und an der Tagesordnung. In Schweden spricht man deswegen auch gerne von der “klassenlosen Gesellschaft”.

Kratzt man jedoch ein wenig an der Oberfläche, wird das bunt-fröhliche schwedische Lebensbild tiefschwarz.



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Durch die Überschuldung der schwedischen Bürgerschaft ist es für die Banken
ein Genuss seine Schuldner via virtuellen Knopfdruck
aus dem gesellschaftlichen Leben zu katapultieren zu können.



Nach aussen hin sind alle darauf bedacht, nicht aus dem Rahmen zu fallen. In ihrem Inneren streben selbstverständlich alle Schweden nach oben in der scheinbar klassenlosen Gesellschaft. Und an den Rändern der Gesellschaft bilden sich natürlich Segmentierungen und Gruppen, die mittlerweile eigene Klassen darstellen.

Eine Randbemerkung:

Eine grosse Gruppe bilden die Einwanderer aus nichteuropäischen Ländern. Von z.Zt. 9,6 Millionen Einwohnern in Schweden sind 1,6 Millionen, d.h. etwa 16 Prozent, ausserhalb von Schweden geboren.

Etwa die Hälfte (8%) Einwanderer komme aus aussereuropäischen Ländern (der Löwenanteil davon aus anderen skandinavischen Ländern).

Die prognostizierte Einwanderungskurve zeigt derzeit steil nach oben. Die Menschen, die dieser Gruppe angehören, fallen in dem Bild, das viele gemeinhin von Schweden haben, deutlich aus dem Rahmen.

Hier spielen andere kulturelle Werte und damit eine andere Mentalität eine Rolle.

Die Ausführungen hier im Artikel sind für diese Gruppe von Schweden deswegen mit einem deutlichen Vorbehalt zu versehen.

Widmen wir uns wieder dem Thema Neid.

Am Beispiel des Phänomens eines regional steigenden Rasanmäherabsatzes:

Wenn nur ein einziger Nachbar im Dörfchen einen neuen Roboter-Rasenmäher angeschafft hat, (das Phänomen dürfte auch in anderen Ländern bekannt sein) dauert es nicht lange und das komplette Dorf ist mit neuen Rasenmähern übersät!

In Schweden ist dieses Phänomen derartig ausgeprägt wie an sonst keine anderen Orten dieser wunderbaren Welt.

Egal, ob Auto, Schneemobil oder Rasenmäher, die Regel lautet:

Stets muss es für den Schweden das Neueste sein.

Und es muss spätestens dann gekauft werde, wenn ein Nachbar oder eine Person aus dem sonstigen sozialen Umfeld den Startschuss gegeben hat. Der dahinter steckende Neid wird geschickt als dynamische Anpassung des Standards kaschiert.

Die Champions in der Kiste wachsen rasant urplötzlich über sich heraus und niemand beschneidet sie.

Das traurige Spiegelbild dieses Neid-Phänomens findet sich Schwedenweit auf Wertstoffhöfen wieder.

Massenhaft sind dort funktionstüchtige Elektrogeräte zu sehen, die nur deswegen entsorgt werden, weil sie dem aktuellen Trend nicht mehr entsprechen.

Ein Bekannter, der sich mit Innenausbau befasst, hat uns vergangenes Jahr von einer Entwicklung berichtet, die uns schockiert hat. Der neueste Kühlschranktrend hatte sich verändert. Plötzlich waren ungewöhnlich grosse Kühlschränke im Retro-Style der neue Trend.

Am besten mit matt polierter Metalloberfläche.

Der Trend war durch alle Medien, insbesondere die diversen kostenlosen Häuslebauer- und Do-It-Yourself Zeitschriften, kräftig gefördert worden. Die Folge war, dass unzählige Haushalte ihre voll funktionstüchtigen Kühlschränke entsorgt haben, um auf die neue Trendlinie umzusteigen.

Wir haben die Erzählung auf dem Wertstoffhof verifiziert wo sie sich bewahrheitet hat. Die Mitarbeiter dort waren am verzweifeln, weil sie nicht mehr wussten wohin mit all den Kühlschränken, die binnen kurzer Zeit angeliefert worden waren. Im Schnitt waren die auf dem Wertstoffhof verschrotteten Kühlschränke keine 24 Monate alt.

Die Botschaft hinter dem künstlich geschaffenen Kaufrausch:

Du bist ok, wenn Du immer dem neuesten Trend folgst.

Die Sache mit dem obligatorischen Kaufrausch um unter allen Umständen lagom zu sein, fördert als Nebenwirkung einen weiteren Widerspruch zu Tage:

Das Umweltbewusstsein geniesst in Schweden nur nach aussen hin einen grossen Stellenwert.

Der Schwede fühlt sich mit Eisbären, deren natürliches Habitat wegen der Klimaveränderung dahinschmilzt, sehr verbunden. Die Realität im eigenen Land sieht allerdings völlig anders aus, wovon die illegalen Abfallhaufen in den Wäldern ein deutliches Zeugnis ablegen.

Und wenn der systemimmanente Neid eine neue Welle des Kaufrausches gebietet, dann spielt es überhaupt keine Rolle, wenn massenhaft funktions- und gebrauchstüchtige Geräte in den Müll wandern.

Manchmal ist auch ein bizarres Verständnis ökonomischer Zusammenhänge ein Grund für unnötige Neuanschaffungen.

Als ich vor einigen Jahren für eine Beratungsgesellschaft tätig war, stand intern der Austausch der damals erst vor 12 Monaten angeschafften Mobiltelefone und Laptops für die Mitarbeiter an.

Die Produkte waren nicht geleast, sondern gekauft worden. Auf meine Rückfrage, warum denn die tadellos funktionierenden Geräte ausgetauscht werden sollten, bekam ich die lapidare Antwort:

“Wir sollen doch konsumieren. Das ist gut für die Wirtschaft.”.

Gekauft wurden die neuen Geräte dann übrigens bei einem ausländischen Anbieter.

Für Insider hat hat der kollektive Kaufrausch immerhin einen positiven Nebeneffekt :


Schwedische Recyclingboutiqen und Second-Hand-Läden sind eine Fundgrube. Dort sind massenhaft neuwertige Dinge zum Schnäppchenpreis zu finden.

Der wie eine Grippewelle immer wieder auftretende kollektive Kaufrausch ist eine schwere Geissel.

In Schweden werden die Bürger kräftig zur Kasse gebeten, denn hier ist die Steuer- und Abgabenlast überdurchschnittlich hoch. Das durchschnittliche monatlich verfügbare Haushaltseinkommen nach Steuern und Abgaben betrug im Jahre 2014 knapp 28.000 SKR. Das ergibt umgerechnet etwa 21.800 SKR pro Person.

Wer sich bei einem solchen Einkommen nicht in die neuesten Trendkäufe einreihen kann, den werden Sie garantiert auf der Bank wieder finden. Denn die Bank finanziert hier in Schweden (fast) alles.



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Wehe, es ziehen düstere Wolken über dein Bankkonto!



Das nach dem schwedischen Grundgesetz geltende Öffentlichkeitsprinzip zeigt bei Neid und Kaufrausch seine Wirkung.

In Schweden können die meisten Unterlagen und Dokumente von Behörden durch jedermann eingesehen werden. Im Steuerrecht gilt das auch für die Übersicht über das Jahreseinkommen einer Person.

Raten sie mal, welche öffentlichen Daten zu den meist abgerufenen gehören!

Welcher Nachbar wie viel pro Jahr verdient und
welcher Nachbar wie viele Schulden bei seiner Bank hat.

Die Schuldenquote der privaten Haushalte bewegt sich seit einigen Jahren auf hohem Niveau.

Nach Daten des schwedischen statistischen Zentralbüros lag die durchschnittliche Verschuldung schwedischer Haushalte bei 100 % des verfügbaren Bruttojahreseinkommens Anfang der 90er Jahre.

Seitdem hat sie sich bis etwa 2012 auf 165% erhöht, um sich seitdem auf diesem Niveau zu stabilisieren.

Es korrespondiert somit der Zuwachs mit den durchschnittlichen jährlichen Einkommenszuwächsen.

Wie auch bei der oben angeführten Einkommensstatistik gilt:

Es handelt sich um Mittelwerte.

Die Ersteller der Statistik weisen sogar extra darauf hin, dass die Streuung in der Praxis sehr gross ist und deuten an, dass die Verschuldung in Haushalten mit niedrigerem Jahreseinkommen deutlich höher ist als in solchen, mit hohem Jahreseinkommen.

Am Rande:

Deutschland ist das einzige EU-Land, in dem die Schuldenquote von 107% im Jahre 2000 auf derzeit 86% gesunken ist.

Einsam an der Spitze liegen die Dänen mit 270%.

In Schweden wird also gerne und bereitwillig “auf Pump gelebt” und die schwedischen Banken haben eine lange Tradition darin, unbürokratisch Haus- und Konsumkredite zu vergeben. Ohne Probleme werden die diversen Kredite umgeschuldet um dann mit langfristigen Rückzahlungsvereinbarungen "veredelt" zu werden. (Beinahe) nichts ist unmöglich.

Ein schwedischer Bekannter hat es einmal so ausgedrückt:

Gehe auf den Parkplatz vor irgendein schwedisches Rathaus und rufe “Bank”. Plötzlich sind all die schönen und neuen Autos, die zu diesem Zeitpunkt auf dem Parkplatz auf ihre BesitzerInnen warten, verschwunden.

Mit etwas gesundem Verstand und grundlegender Mathematik lässt sich das auch einfach verifizieren.

Zählt man all die sichtbaren (böse ausgedrückt: zur Schau gestellten) Vermögenswerte eines schwedischen Haushaltes zusammen und stellt diese neben das wahrscheinliche Einkommen ist sofort klar, dass diese Güter aus liquiden Mitteln nicht finanzierbar sein können.

Summa summarum lässt sich feststellen, dass das Jantelagen in Verbindung mit einer “Amerikanisierung” der Gesellschaft zu einer auf Sicht untragbaren wirtschaftlichen Situation in Schweden führt. Ein grösserer finanzieller Crash bei den privaten Haushalten ist nur eine Frage der Zeit.

Kleiner Exkurs zum Be- und Ausnutzen:

Zum Konsum gehört auch die Sucht nach Neuem.

Dieser begegnen z. B. Einwanderer, sobald sie an ihrem neuen Lebensmittelpunkt in Schweden aufgeschlagen sind. Das Interesse und die Freundlichkeit der schwedischen Umgebung ist dann besonders gross. Den Neuankömmlingen wird Mut zugesprochen und versichert, dass alles gut gehen wird (egal worum es dabei geht).

Bei Einwanderern führt das - in Unkenntnis der Hintergründe und Mechanismen - zu einer völligen Selbstüberschätzung.

Das Interesse des schwedischen Umfeldes schwindet dann wieder, sobald andere Neuigkeiten an der Tagesordnung sind und die Einwanderer fallen in ein Loch.

Die durch den positiven Zuspruch geschaffene Erwartung auf Hilfe und Unterstützung erfüllt sich im Regelfalle nicht.

Weg sind von einem zum anderen Tag die vielen netten Freunde und hilfsbereiten Nachbarn.

Die Katastrophe nimmt ihren Verlauf!?

Euer

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