Interview Teil 12





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Direkt am See gelegen, "sein" Reich


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Doc Mozart

Teil 12


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Nur wenige Meter trennen die stromlosen und
sehr einfach gehaltenen Stygas voneinander.


Zwar war es in dieser Styga, so wird dieses kleine nordische Holzhaus genannt, durch den Ofen recht warm, aber wie konnte eine Mutter derartig mit ihrem Kind umgehen? Bevor dieser Gedanke von mir weiter gesponnen werden konnte, stiess ein Mann die Tür auf. Sofort tauschte sich die warme Raumluft mit der eiskalten Winterluft aus. Es war ein recht kräftiger Kerl, für meinen Geschmack ungepflegt. Er trug eine Tracht, die genau die Farben hatten, wie die Babykleider auf dem Tisch. Hinter ihm kam ein sehr alter Mann mit in das Häuschen, das vor lauter Menschen nun zu platzen drohte.

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Winzige handgestrickte Handschuhe ruhen auf dem Tisch


Der junge Mann holte das nackte Kind aus der Wiege und die junge Frau verliess daraufhin ungewöhnlich schnell den Raum. Der Alte, der hinter dem jungen Mann stand, hatte einen Lederbeutel in der Hand, aus dem er ein weisses Pulver holte und das Kind damit einrieb. Man konnte zusehen, wie sich die junge Haut des Säuglings krebsrot verfärbte.

Es begann nach altem Fisch zu stinken.
Mich begann es durch den Geruch zu würgen.


So schnell wie die beiden Männer gekommen sind, so schnell haben sie auch die Styga wieder verlassen. Das Kind schlief ganz ruhig weiter in seiner Wiege, so als ob nichts geschehen wäre. Zu Pierre gewandt fragte ich ihn:

Pierre? Ich habe in dieser Hütte drüben wo ich untergebracht bin nicht einmal einen Stromanschluss. Wie soll ich da meine Geräte aufladen können?

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In Europa gerade einmal für einen Weihnachtsmarkt geeignet!


Er drehte sich wortlos um und kramte im Regal zwischen den Tassen eine schon angebrochene Kerze hervor. Diese hielt er vor mich. Nun platzte ich!

Das darf doch nicht alles wahr sein! Ich komme her und du holst mich nicht einmal ab. Verfrachtest mich anschliessend in ein altes Holzhaus ohne Dusche und Strom! Was bildest du dir eigentlich ein? Ich bin ja vieles durch meinen Job gewöhnt, aber das hier bringt das Fass zum Überlaufen!!

Wutschnaubend liess ich die Holztür hinter mir ins Schloss fallen, stapfte den Trampelpfad zu meiner Hütte hinüber und fluchte vor mich her.

Der ist sogar zu faul Schnee zu schieben. Nicht einmal einen anständigen Weg bringt er zustande!

In meiner Hütte stand die Tür einen Spalt offen, was mich sehr verwunderte, weil ich mir sicher war, sie geschlossen zu haben und als ich in den winzigen, karg eingerichteten Raum eintrat, stand eine ältere Frau mit einem Holzeimer vor mir. Sie hatte Kleider an, welche die gleichen Farben hatten, wie die Babykleider oder die Männer von drüben in der Hütte.

Vatten. Vatten. Stammelte sie und zeigte auf die Waschkanne, die auf dem kleinen Regal stand. Aus der Waschkanne stiegen kleine Dampfwölkchen empor und beschlugen den Spiegel, der darüber an der Wand hing. Ich sackte in mich zusammen, setzte mich auf das Bett und begann zu heulen. Die Alte setzte sich zu mir und nahm mich in den Arm.

Teutsch? Jiddisch? Hörte ich sie mich fragen. Da flossen die Tränen noch mehr - aber dieses Mal vor Erleichterung! Es sprach wer meine Sprache! Deutsch! Deutsch! schluchzte ich. Teutsch! raunte die Alte und strich mir übers Haar.

Unter Tränen und Schluchzen jammerte ich ihr mein ganzes Leid! Vom Stromlosen Hüttchen, bis hin, dass Pierre verheiratet ist und noch Vater dazu. Die junge Frau, die nicht mit mir sprechen wollte und einfach mich mein Gepäck hat selbst schleppen lassen. Das ich das alles nicht wusste und ich am liebsten wieder heim wollte.

Die Alte begann leise und langsam zu mir zu sprechen.
Kein Annst! Pierre Tockta. Schanthal. Bebe fon Beaivi. Sdammswester. Bebe imher ersd bei antere. In Sdamm. Bis Fäsd. Immer und immer wieder strich sie mir durch die Haare und ich beruhigte mich langsam. Styga das gute Styga. Mätschenhaus. Schantalheim. Pierre und sein Vahder Mätschenhaus bauen.

Nun begriff ich erst! Die Tochter von Doc Mozart stellte mir ihre eigene Hütte zur Verfügung. Scham fühlte ich in mir hochsteigen und ein Mauseloch wäre nun doch noch zu gross.

Im gebrochenen Deutsch erklärte die Alte mir noch anderes. Dass es normal sei, so zu leben, wie ich es hier sehe. Ohne Strom und ohne den westlichen Luxus, der mir bekannt sei. Ausserdem sprach sie von der nativen Bevölkerung, den Sami und dass dieses Land Sapmi hiesse. Sie alle Sami seien. Ein stolzes Volk. Von Unterdrückung geplagt und gepeinigt, aber noch fast jeder Mann in ihrem Stamm Rentiere halten könne.

Jede einzelne Farbe ihrer Kleider hätten auch ihre Bedeutung und ich solle mich nun frisch machen, denn es gäbe gleich etwas zu essen. Danach stand sie auf und verliess ohne Laut die Hütte. Ich stand nun vorm Spiegel und schämte mich, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und sah erbärmlich aus!

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Rot symbolisiert das Feuer.
Grün die Erde.
Gelb die Sonne.
Blau das Wasser.
Traditionelle Kleider der Sami


Müde begann ich mich zu waschen und kramte frische Kleider aus meinem Koffer.

Erst jetzt bemerkte ich, dass der Fussboden warm war und die ganze Hütte sich langsam aufheizte. Ich sah zu meinen Füssen nach unten, hebte die Zehenspitzen. Die Verwunderung zeigte sich in meinem Gesicht.
Eine Fussbodenheizung? Ich glaubte es nicht! Langsam tasteten sich meine Füsse auf den ganzen Bodenbalken umher. Tatsächlich. Das musste eine Fussbodenheizung sein. Ich war glücklich, denn mit so viel Luxus hätte ich nun doch nicht gerechnet!

Dieser Mann ist einfach...

...mit diesem Gedanken bin ich durch den Schnee Richtung des grossen Zeltes zum Essen gegangen. Die Alte wartete vor dem Zelt auf mich und schlug die Decke, die den Eingang verdeckte, zurück.

Fortsetzung folgt